Die erste Herausforderung bei der Behandlung von betagten Patienten mit Lungenerkrankungen besteht darin, sie korrekt einzuschätzen. Das Alter ist hierbei kein ausreichender Maßstab. Schließlich kann man einen 74-jährigen Skifahrer nicht mit einem inaktiven 74-Jährigen vergleichen.
Wichtig ist ein ausführliches Anamnesegespräch mit dem Patienten selbst. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass ältere Patienten häufig dazu neigen, ihre Beschwerden zu bagatellisieren. Dr. Schlesinger führte zudem aus, dass sich die Patienten ihrer Probleme selbst manchmal gar nicht bewusst sind, da sie ihr Verhalten anpassen, um Symptome zu vermeiden. Leidet der Patient unter Kurzatmigkeit, so kann er diese vermeiden, indem er sein Aktivitätsniveau noch weiter reduziert. Dr. Andreas Schlesinger rät deshalb zu einer zusätzlichen Fremdanamnese zum Beispiel mit Angehörigen.
Eine Lungenfunktionsmessung kann zudem Aufschluss über die Fähigkeiten zur Nutzung gängiger Inhalationssysteme geben. Gelingt dem Patienten das hierfür erforderliche Atemmanöver der Spirometrie, so ist auch davon auszugehen, dass er über die koordinativen und inspiratorischen Fähigkeiten verfügt, gängige Inhalationssysteme wie MDIs oder DPIs fehlerfrei zu nutzen. Zudem lässt sich so der inspiratorische Spitzenfluss (PIF) messen, was ebenfalls ein wichtiger Wert zur Auswahl geeigneter Inhalationssysteme ist.
Zudem können qualitative Kriterien, wie sie dem Barthel Index zugrunde liegen, genutzt werden. Manchmal sind es auch physische Eigenschaften, wie die Griffkraft, die Aufschluss über die inspiratorischen Fähigkeiten eines Patienten geben können.
Drei Faktoren determinieren den Erfolg einer Inhalationstherapie: Medikament, Inhalationssystem (Device) sowie der Patient selbst. Die individuellen Fähigkeiten des Patienten ein Inhalationssystem korrekt nutzen zu können, sollte unbedingt bei der Auswahl berücksichtigt werden. Wendet er dieses falsch oder gar nicht an, so führt dies unabhängig vom Alter zu einer negativen Entwicklung des Krankheitsverlaufs. Bei über 65-jährigen Patienten kann im Durchschnitt von einer guten Compliance ausgegangen werden [1], wobei jedoch die Wahrscheinlichkeit von gravierenden Anwendungsfehlern signifikant steigt [2].
Zwischenfazit: Legen Sie bei betagten Patienten besonderes Augenmerk auf die Vermeidung von Anwendungsfehlern. Faktoren, die die Compliance beeinflussen sind weniger wichtig.
Hierfür kann ein etablierter Algorithmus zur Auswahl von Inhalationssystemen herangezogen werden. Dabei werden Patienten nach den Kriterien Koordination und inspiratorischer Fluss kategorisiert. Verfügen Patienten über einen inspiratorischen Fluss unter 30 l/min und / oder unzureichende koordinative Fähigkeiten, dann sollten Vernebler oder MDIs mit Inhalierhilfen (Spacer) gewählt werden.
Einige Inhalierhilfen / Spacer tragen den besonderen Bedürfnissen älterer Patienten Rechnung und sind mit sog. Einhand-Bedienhilfen, geeigneten Masken und Trachealadapter erhältlich.
Dr. med. Andreas Schlesinger Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Pneumologie, Rheumatologie, Infektiologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin.
Ärztlicher Direktor des Sankt Marien Hospital, Köln
Dr. Andreas Schlesinger betonte, dass sofern möglich nur ein Inhalationssystem verordnet werden sollte, da sich so Routinen etablieren können. Zudem ist es vorteilhaft, wenn nur einmal am Tag inhaliert werden muss.
Besonders hervorgehoben wurde auch, dass die Übung der Inhalationstechnik ganz entscheidend ist. Dafür sollten auch Ärzte nur Inhalationsgeräte verordnen, die sie selbst gut anwenden können, um die Anwendung mit dem Patienten korrekt einzuüben.
Studien zeigen, dass die besten Ergebnisse bei dreimaligem Üben erzielt werden [3]. Allerdings gilt auch beim nächsten Arztbesuch, dass die Inhalationstechnik abermals dreimal eingeübt werden sollte. Beim Üben sind demnach aller guten Dinge drei.
Bei Verneblern genügt sogar die natürliche Ruheatmung des Patienten, weshalb keine spezielle Inhalationstechnik erlernt werden muss. Auch Patienten mit eingeschränkter Koordination und inspiratorischen Schwächen können Vernebler richtig anwenden. Düsenvernebler haben den Nachteil der etwas längeren Inhalationszeit, was jedoch bei betagten Patienten eine eher untergeordnete Rolle spielt. Wie oben gezeigt ist die Compliance bei dieser Patientengruppe im Vergleich zu den gravierenden Anwendungsfehlern ein geringeres Problem. Diese werden durch Vernebler weitestgehend ausgeschlossen.
Tatsächlich wird in der Praxis noch häufig auf Sekretolytika, wie ACC oder Mukosolvan gesetzt. Dies geschieht jedoch laut Dr. Andreas Schlesinger ohne Evidenz. Empfehlenswert ist eher die Inhalation von einfacher Kochsalzlösung.
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Quellenangaben:
[1] Molimard M et al. J Aerosol Med 2003;16:249–254.
[2] Hoskins G. Prim Care Resp J. 2001; 10:99
[3] Takaku Y et al. Resp Med 2017;123:110–115.
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