Dienstag 28. Juli 2020
Herr Dr. Voshaar, Sie haben schon sehr früh davor gewarnt, die mechanische Beatmung bei COVID-19 Patienten zu häufig und zu früh einzusetzen. Wie sieht Ihre Therapie aus und was machen Sie anders?
Von den bisherigen 60 Patienten mit COVID-19 wurden 57 Patienten nur nicht-invasiv mit Maske oder CPAP beatmet und nicht intubiert. Lediglich ein Patient mit schwerer neurologischer Vorerkrankung, ein Patient mit vorbestehender Herzinsuffizienz und zusätzlicher akuter Virusmyokarditis und ein Patient mit Asbestose erhielten eine mechanische Beatmung. Ein Patient davon ist verstorben. Die beiden anderen sind inzwischen von der Beatmung befreit und auf dem Weg der Besserung.
Die Standard-Therapie bei allen COVID-19 umfasste eine enge Überwachung der Labor-Parameter D-Dimere, LDH, IL-6, BNP und Troponin täglich oder jeden 2. Tag. Ausnahmslos alle im Krankenhaus Bethanien in Moers behandelten COVID-19-Patienten inhalierten mit 0,9%iger Salzlösung, um die Virenlast in der Ausatemluft zu erniedrigen. Bei einigen wurde eine Mischung aus Salbutamol und physiologischer Kochsalzlösung via Vernebler verabreicht. Auch die Physiotherapie, insbesondere die PEP-Atmung war ein wichtiger Bestandteil des Managements der COVID-19-Infektion. Ähnlich wie die Nutzung von CPAP hilft die aktive Nutzung eines PEP-Systems, um den Gasaustausch zu verbessern, Mikroatelektasen zu vermeiden oder wiederzueröffnen und hilft bei der Sekretmobilisierung., um die Sekretolyse zu fördern.
In welcher Weise hat dies international ein Umdenken bei den behandelnden Ärzten angetriggert?
Zunächst setzte ein stark kontroverser und öffentlicher Disput über die mechanische Beatmung ein. Es wurde ja weltweit eine Strategie der Frühintubation verfolgt. Das hatte wohl zum Teil schon absurde Aspekte. Wiederholt haben Kollegen/ Innen berichtet, dass Patienten sogar zur Intubation überredet wurden. In der Folge gab es dann international viel Zustimmung. Dennoch, auch wenn jetzt vielfach erst versucht wird die Sauerstoff Sättigung ohne Intubation zu erhöhen, z.B. durch konventionelle O2-Gabe per Nasenbrille oder mittels HighFlow-Systemen, die auch einen leichten PEEP erzeugen wird die Indikation für eine invasive maschinelle Beatmung immer noch viel zu früh gestellt. Aus meiner Sicht ist es falsch die Entscheidung für eine Intubation von einem einzelnen Parameter, wie der Höhe der O2-Sättigung oder dem Horovitz-Quotienten, abhängig zu machen.
Welche Infektions-Schutzmaßnahmen haben Sie in Ihrer Klinik für Patienten, Kollegen und Pflegepersonal ergriffen?
In unserer Klinik wurde ein umfassendes Hygienekonzept umgesetzt. Bei der persönlichen Schutzausrüstung wurde besonders auf die Dichtigkeit der Maske geachtet. Die COVID-19 Patienten waren in Einzelzimmern untergebracht und der Zugang sehr restriktiv gehandhabt. Die Kommunikation fand über eine Gegensprechanlage und über eine App statt, darüber hinaus wurde der jeweilige Patient per Video kontinuierlich beobachtet. Für die nicht-invasive und die CPAP-Beatmung wurden Masken ohne Ausatemventil verwendet. Alle Patienten inhalierten physiologische Kochsalzlösung, um die Abgabe von Aerosolen über die Ausatemluft zu reduzieren. Auch wenn wir das nicht praktiziert haben, kann generell bei der Verneblung die Verwendung eines Ausatemfilters, wie z.B. das PARI Filter-Ventil-Set empfohlen werden. All diese Maßnahmen haben gut gegriffen. Trotz über 50 COVID-19-Patienten und der Funktion als überregionales Abstrich-Zentrum kam es bei den insgesamt 1600 Mitarbeitern der Klinik zu keiner einzigen Inhouse-Infektion.
Obwohl bereits bei Influenza bekannt, wurde die Möglichkeit der SARS-CoV2 Übertragung über die Ausatemluft lange nicht in Betracht gezogen. Von welchen Überlegungen sind Sie von Anfang an ausgegangen?
Die Übertragung über virusbeladene Aerosole in der Ausatemluft von Patienten erschien für mich von Anfang an wahrscheinlich und plausibel. Das war meinem Team und mir schnell klar, da wir natürlich auch viel Erfahrung aus der Aerosolmedizin über 30 Jahre hinweg mitbringen und dieses Know-How auch aktuell gehalten haben. Dann erschienen immer mehr Berichte von SARS-CoV2-Übertragungen, die allein über Schmier- oder Tröpfchen-Infektionen nicht zu erklären waren. Dabei hängt die Erzeugung von sog. Bioaerosolen im Wesentlichen von der Tiefe der Atemzüge ab, wie z.B. beim Singen, das die Gefahr der Virus-Übertragung erhöhen kann.
Bei der Verneblertherapie hingegen kann davon ausgegangen werden, dass nicht viel mehr virus-beladenes Aerosol erzeugt wird, als allein durch das Ausatmen der Patienten. Die Verneblung von isotoner Salzlösung trägt sogar dazu bei, die Virus-Ausbreitung einzudämmen.
Wie kann man sich den Schutzeffekt von physiologischer Kochsalzlösung vor Virusverbreitung vorstellen?
Auf Basis der Studie von Edwards, einer Arbeitsgruppe von Klinikern und Aerosolexperten entdeckte man, dass die Inhalation von 0,9%iger NaCl Lösung die Abgabe von Bioaerosolen um 72 Prozent reduzieren kann. Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin hat dies auch in ihrem Positions-Papier zur apparativen Beatmungstherapie aufgenommen.
Dabei geht man davon aus, dass Bioaerosole in den sehr kleinen Atemwegen, den Bronchiolen und Alveolen gebildet werden. Durch Mikroburst, also das Platzen kleinster Blasen oder die Wiedereröffnung geschlossener kleiner Atemwege lösen sich sehr kleine Aerosole ab, die ausgeatmet werden.
Der Schutzmechanismus durch Inhalation von physiologischer Kochsalzlösung wird über die Änderung von physikalischen Eigenschaften erklärt. Isotone NaCl bildet einen dünnen Film mit hoher Oberflächenspannung auf der Schleimhaut der Atemwege. Dies begünstig die Produktion von relativ großen Aerosolen, die zu groß sind, als dass sie über den Ausatemstrom abgeatmet werden könnten. Daher verbleiben diese Tröpfchen in der Lunge und damit wird auch weniger virus-beladenes Aerosol über die Ausatemluft abgegeben. Der Patient selbst ist weniger infektiös und das Übertragungsrisiko wird gesenkt. In Kombination mit einem Filter für die Ausatmung oder auch in Kombination mit einem PEP-System erscheint mir so die Nutzung der Inhalationstherapie nicht nur unbedenklich, sondern hilfreich. In dieser Konstellation bietet sich die Fortsetzung der Inhalationstherapie auch für zu Haus an.
Was macht für Sie ein gutes Vernebler-System aus? Was ist im Zusammenhang mit der COVID-19-Therapie wichtig?
Besonders wichtig bei der Auswahl eines geeigneten Vernebler-System ist aus meiner Sicht ein einfaches Handling und eine hohe Robustheit der Geräte. Darüber hinaus zählen ein hoher Aerosol-Output mit einem stabilen und adäquaten Partikelspektrum zu den relevanten Eigenschaften, also letztlich wieviel lungengängige Dosis innerhalb welcher Zeit vernebelt wird.
Haben Sie einen Tipp, den Sie gerne Ihren niedergelassenen Kollegen weitergeben möchten?
Zur Abklärung der Diagnose und Abstimmung der Therapie für die weniger schweren Fälle von COVID-19 oder auch allgemein bei Virus-Infektionen ist sicher eine Partnerschaft mit einem erfahrenen, auskunftsfreudigen Kliniker von Vorteil. Schwere Fälle sollten nur in Kliniken eingewiesen werden, die bereits über entsprechende Erfahrungen verfügen.
Niedergelassene Kollegen sollten bei den Nachuntersuchungen mitwirken und die Patienten anhalten, nach überstandener Infektion noch 4-6 Wochen Schonzeit einzuhalten und die Heparin-Einnahme als Prophylaxe fortzuführen, da die Gefahr besteht, dass es zu spät auftretenden Thrombosen und Lungenembolien kommt. Ansonsten kann ich nur dazu raten, dass die Kollegen gut auf sich selbst achten, um sich vor einer COVID-19 Infektion zu schützen.
Herr Dr. Voshaar, vielen Dank für das Interview.
HINWEIS: Das Gespräch mit Dr. Voshaar wurde am 28. Juli 2020 geführt. Die Aussagen wurden auf Grundlage der zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Informationen getroffen.
Aktuelle Informationen des Bethanien Krankenhauses in Moers, finden Sie auf deren Webseite:
https://www.bethanien-moers.de/
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Ministerpräsident des Landes NRW Armin Laschet besuchten das Krankenhaus Bethanien in Moers und den Aerosol-Experten Dr. Thomas Voshaar, um Lob und Anerkennung für sein Konzept zur Behandlung von Covid-19-Patient*innen auszusprechen. Wir konnten mit Chefarzt Dr. Thomas Voshaar bereits vorab über sein Therapiekonzept für Covid-19 Patienten sprechen. Sehen Sie hier das Video in voller Länge.
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