Dienstag, 27. August 2019
Marathon, Triathlon, Ultramarathon, Brocken-Marathon: Ingo Sparenberg treibt seinen Körper regelmäßig ans Limit der Leistungsfähigkeit, obwohl er an Mukoviszidose leidet. Im Interview erzählt er, was ihn antreibt und warum ihm der Extremsport sein Leben gerettet hat.
Ingo Sparenberg: Das habe ich mich bei Kilometer 50 während des Ultramarathons und bei über 1.000 Höhenmeter beim Brocken-Marathon auch gefragt (lacht). Ich bin ein Typ, der gerne seine Grenzen austestet. Ich habe immer wieder gemerkt, dass sich Grenzen verschieben lassen. Solange ich die Grenze verschieben kann, probiere ich es aus. Es reizt mich, bis ans Limit zu gehen. Ich finde Gefallen daran, Dinge, die unmöglich zu sein scheinen, zu wagen und zu beweisen, dass sie machbar sind. Darum laufe ich als Lungenkranker 60 Kilometer oder bestreite einen der schwierigsten Ausdauerläufe Deutschlands. Die Entdeckung des Extremsportes und das damit verbundene an die Grenzen gehen, haben mir außerdem das Leben gerettet.
Ingo Sparenberg: Weil mich das Training körperlich fit macht und stärkt. Das gilt nicht nur im Allgemeinen, sondern es war in einer ganz konkreten Situation meine Lebensversicherung. 2013 hatte ich eine große Notfall-Operation am Darm. Die OP fand kurze Zeit nach meinem Triathlon-Wettkampf statt. Ich war entsprechend gut trainiert und körperlich fit, meine Lungenfunktionswerte waren sehr gut. Nach der Operation sah das ganz anders aus. Ich hatte 12 Kilo abgenommen, war extrem schwach und meine Lungenfunktion hatte sich halbiert. Von einem FeV1-Wert von circa 70% waren nur noch 33 % übriggeblieben. Wäre ich in die OP mit einer bereits eingeschränkten Lungenfunktion und schlecht trainiertem Körperzustand gestartet, hätte ich die Operation nicht überlebt. Wenn man nichts hat, wovon soll der Körper dann zehren? Mein guter Trainingszustand hat mich die OP überleben lassen. Seit diesem Ereignis ist der Extremsport für mich neben Kick, das scheinbar Unmögliche erreichen zu können, auch eine Art Überlebenscredo. Mit dem Training mache ich mich fit für die nächste OP, von der ich weiß, dass sie aufgrund meiner Mukoviszidose kommen wird. Eine weitere Motivation ist außerdem, dass ich mich fit mache für die schönen Dinge im Leben, wie zum Beispiel das Reisen.
Ingo Sparenberg: Das ist ganz unterschiedlich. Im Winter gehe ich kaum laufen. Anstrengung an der kalten Luft tut mir nicht gut. Wenn ich allerdings plane, an einem Sportereignis teilzunehmen, dann trainiere ich diszipliniert, regelmäßig und gezielt. In Vorbereitung auf den Brocken-Marathon 2018 zum Beispiel machte ich vier bis fünf Mal die Woche Dauerläufe. Pro Trainingseinheit war ich zwei bis vier Stunden beschäftigt. Denn wer über den Brocken joggen möchte, muss 30 Kilometer-Läufe auf dem Trainingsplan stehen haben. Sonst wird das nichts. Und für 30 Kilometer ist man eine Weile unterwegs.
Ingo Sparenberg: Ironischerweise hat mich ein gesundheitlicher Einbruch zum Extremsport gebracht. Als Kind und Jugendlicher bin ich relativ viel Fahrrad gefahren. Ab einem Alter von 20 Jahren spielte Sport in meinem Leben keine Rolle mehr. Trotzdem war ich gesundheitlich recht stabil. Dann aber mit ungefähr 30 Jahren ging es plötzlich gesundheitlich bergab und ich kam aus dem Tief nicht mehr heraus. Ich lag im Krankenhaus mit einem starken Lungeninfekt, der mittels intravenöser Antibiotikatherapie behandelt wurde. War ich bis zu diesem Zeitpunkt eine Treppe wie ein junges Reh hochgesprungen, musste ich mich nun Stufe für Stufe hochschleppen. Das war ein ziemlicher Dämpfer, der mich zum Glück wachgerüttelt hat. Nach meiner Entlassung fing ich mit dem Laufen an.
Ingo Sparenberg: Ich schlug ganz hart auf dem Boden der Tatsachen auf, als ich das erste Mal Laufen ging. Ich dachte, ich könne locker eine halbe Stunde laufen. Bereits nach einem Kilometer musste ich hustend und erschöpft aufgeben und schleppte mich nachhause. Ich hatte mich maßlos überschätzt. Aber ich wollte mir beweisen, dass ich es schaffe. Und so trainierte ich Tag ein Tag aus. Gehen, laufen, gehen, laufen, bis ich tatsächlich eine Stunde joggen konnte. Irgendwann setzte ich mir zum Ziel, einen Marathon zu laufen. Dieses Ziel erreichte ich 2011.
Ingo Sparenberg: Das war definitiv der Ultramarathon. Als ich bei Kilometer 50 war, zog ein Sommergewitter auf. Die Temperatur sank schlagartig von über 28 auf unter 20 Grad ab, es schüttete wie aus Kübeln. Dazu kam starker Wind. Weit und breit gab es kein Haus, keinen Unterstand. Also kniete ich mich hin, kauerte mich zusammen, um mich so gut wie möglich vor Wind und Regen zu schützen und möglichst wenig auszukühlen. Fast eine Stunde verbrachte ich in der Hocke und das mit 50 Kilometern in den Beinen. Es war anstrengend, fies, schmerzhaft. Ich wollte den Regenschauer abwarten, bevor ich weiterlief. Ich spürte, dass es mich körperlich überfordern würde völlig durchnässt gegen Wind und Wetter anzulaufen. Nachdem das Gewitter vorbei war, kostete es mich enorme körperliche und mentale Stärke wieder aufzustehen und weiterzulaufen. Ich spürte meine Beine nicht mehr, eigentlich war ich völlig am Ende. Aber ich wollte mich nicht vom Regen aufhalten lassen. Ich hatte zweieinhalb Jahre für diesen Lauf trainiert. Ich wollte nicht 50, nicht 55, sondern ich wollte 60 Kilometer schaffen und über diese verdammte Ziellinie laufen. Also stand ich auf und lief weiter, auch wenn ich mir nicht sicher war, tatsächlich das Ziel zu erreichen. Erst bei Kilometer 59 wurde mir bewusst, dass es eine reale Chance gab. Nach 7 Stunden schleppte, rannte, schleifte, humpelte ich über die Ziellinie. Sowohl für mich, als auch für alle, die mich anfeuerten, waren die letzten Meter zum Ziel und der Zieleinlauf sehr emotional. Ich hatte das scheinbar Unmögliche tatsächlich geschafft. Es mag sich lächerlich anhören, aber noch Tage nach dem 60 Kilometerlauf fühlte ich mich als hätte ich ein klein wenig die Welt gerettet. (lacht)
Nein. Aktuell gibt es noch nichts. Aber irgendwann wird mir eine Idee in den Kopf schießen. Das war bisher immer so. Und dann stelle ich mich der nächsten Herausforderung und versuche das Unmögliche machbar zu machen.
Ingo Sparenberg, geboren 1977, treibt trotz seiner Mukoviszidose Extremsport. Seine Teilnahme an Sportereignissen koppelt er immer an eine Spendenaktion für Mukoviszidose Kranke. Daneben hat er zwei autobiografische Bücher geschrieben: Laufend Mukoviszidose – Unkaputtbar Teil 1 und Teil 2. Mehr Informationen zu Ingo Sparenberg und seinen Projekten finden sich auf: www.in-go-go-go.de
Hinweis: Bei den im Interview getroffenen Aussagen handelt es sich um die individuelle Sichtweise des Interviewten. Diese spiegeln nicht zwangsläufig die PARI Sichtweise oder den allgemeinen Stand der Wissenschaft wider.
Ein Beitrag der PARI-BLOG Redaktion.
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