Coronavirus und Grippe bei Menschen mit chronischen Lungenkrankheiten: Ein Gespräch mit Lungenfacharzt Prof. Dr. Fischer über Gefahren und Empfehlungen

Das Coronavirus löst derzeit bei vielen Menschen Besorgnis aus. Davon bleiben gerade Menschen mit chronischen Lungenerkrankungen wie Asthma, COPD und Mukoviszidose, nicht unberührt – zählen sie doch zur Risikogruppe, wenn es beispielsweise um eine Infektion mit dem COVID-19 Coronavirus geht. Daher haben wir mit dem Pneumologen, Prof. Dr. Rainald Fischer, zur aktuellen Lage gesprochen. Er erklärt Hintergründe sowie Gefahren und gibt Empfehlungen für Lungenpatienten.

HINWEIS: Das Gespräch mit Prof. Dr. Fischer wurde Anfang März 2020 geführt. Die Aussagen wurden auf Grundlage der zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Informationen getroffen.

PARI-Blog: Warum zählen Menschen mit chronischen Lungenerkrankungen wie Asthma, COPD und Mukoviszidose, zur Risikogruppe bei Grippe und dem Coronavirus?

Prof. Dr. Rainald Fischer: Menschen mit chronischen Atemwegserkrankungen können Viren schlechter selbst bekämpfen, da die Lungenschleimhaut durch die bereits bestehende Erkrankung abwehrgeschwächt ist. Dies gilt gerade für Menschen mit Mukoviszidose, da hier bereits viele Bakterien ständig in der Lunge vorhanden sind, wodurch eine dauerhafte Lungenentzündung auf niedrigem Niveau besteht.

Das Coronavirus betrifft hauptsächlich die oberen und unteren Atemwege. Daher sind Patienten mit Lungenvorerkrankungen besonders betroffen. Aus welchem Grund der Coronavirus SARS-CoV-2 genau die Lunge befällt, ist meines Erachtens noch nicht sicher bekannt. Bekannt ist allerdings, dass Patienten mit Lungenvorerkrankungen bei einer Corona-Erkrankung leichter mit schweren Verläufen reagieren und leider auch häufiger versterben als Gesunde.

PARI-Blog: Warum kommt es bei Lungenpatienten bei einer Infektion mit dem Coronavirus oder auch der Grippe häufiger zu Komplikationen und zu mehr Todesfällen?

Prof. Dr. Rainald Fischer: Wie bereits erwähnt, ist die Schleimhaut der Lunge bei Patienten mit COPD oder auch Mukoviszidose dauerhaft entzündet und daher empfänglicher für eine virale Infektion. Zudem ist zeitgleich die Abwehrkraft in der Lungenschleimhaut verringert. Damit können sich die Viren leichter verbreiten und größere Schäden anrichten. Je beschädigter die Lungenschleimhaut ist, umso einfacher können auch andere Erreger, wie Bakterien, in die Schleimhaut eindringen.

PARI-Blog: Sind alle Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen gleich stark gefährdet?

Prof. Dr. Rainald Fischer: Soweit wir derzeit wissen, sind nicht alle Lungenerkrankungen gleich zu werten. Vermutlich sind Patienten mit Asthma nicht so stark gefährdet, da deren Bronchialschleimhaut meist nur eine allergische Entzündung aufweist und in der Regel keine Lungenentzündungen entwickeln. Patienten mit COPD und Mukoviszidose würde ich als stärker gefährdet einschätzen, weil es hier häufiger unabhängig von Viren zu Entzündungsvorgängen auch bakterieller Natur in der Lunge kommt. Daneben ist auch die Lungenfunktion ein mögliches Maß für die Gefährdung. Bei jemandem mit einem FEV1-Wert von unter 50%, würde ich einen höheren Gefährdungsgrad annehmen. Lungenpatienten mit einem FEV1-Wert von über 90% sind hingegen nur gering gefährdet. Allerdings sind das nur Einschätzungen. Derzeit liegen noch zu wenige Fälle und Zahlen zum Coronavirus vor. Fundierte Aussagen werden sich leider erst in ein paar Wochen oder Monaten treffen lassen, wenn die aktuelle Corona-Epidemie vorbei und ausgewertet sein wird.

PARI-Blog: Welcher Virus ist gefährlicher für Lungenpatienten – der Grippe- oder der Corona-Virus?  

Prof. Dr. Rainald Fischer: Der wesentliche Unterschied zwischen Grippe- und Corona-Viren liegt aktuell sicherlich in der Möglichkeit der Impfung. Gerade in der aktuellen Saison scheint der Grippeimpfstoff gut zu wirken und gegen die aktuelle Influenza gut zu schützen. Gegen den COVID-19 Virus gibt es derzeit noch keine Impfungsmöglichkeit.

Inwiefern sich die Letalität, also die Wahrscheinlichkeit an der Krankheit zu sterben, bei Grippe und Corona unterscheidet, kann man aktuell nicht mit Sicherheit sagen. Dies ist momentan aus den Zahlen des Robert-Koch-Institutes ganz schwer herauszulesen. Derzeit scheint es aber, dass die Letalität bei Corona gering erhöht ist.

PARI-Blog: Menschen mit chronischen Lungenerkrankungen sind es, unabhängig von der momentanen Corona-Epidemie, gewohnt, die aktuellen Hygieneempfehlungen einzuhalten und Menschenmassen zu meiden. Wie können sie sich darüber hinaus schützen?

Prof. Dr. Rainald Fischer: Es ist sicher sinnvoll, sich an die empfohlenen Hygienerichtlinien zu halten. Ein Mundschutz ist für den Eigenschutz gegen Viren vermutlich nicht sehr wirksam. Hier wären FFP3-Masken mit Filterfunktion notwendig. Diese sind derzeit jedoch kaum zu bekommen. Außerdem dürfte das Tragen dieser Maske für Lungenpatienten auch unangenehm sein, da hierdurch die Atmung etwas erschwert wird.

Wichtig für Atemwegspatienten ist natürlich, die verordnete Inhalationstherapie und Medikamenteneinnahme konsequent durchzuführen. Das gilt aber immer und unabhängig vom Coronavirus. Weitere präventive Maßnahmen gibt es aus meiner Sicht nicht.

Das Wichtigste ist, sich bewusst zu machen, dass die Zahl der Infektionen derzeit sehr gering ist. Die tatsächliche Gefahr einer Infektion für den einzelnen Patienten mit dem Coronavirus ist nicht sehr hoch. Das höhere Ansteckungsrisiko besteht aktuell immer noch für die Influenza.

PARI-Blog: Hatten Sie in den vergangenen Wochen schon Grippe- oder Corona-Fälle unter Ihren Patienten?

Prof. Dr. Rainald Fischer: Mehrere unserer Patienten sind in den vergangenen Wochen an Influenza erkrankt. Ein Corona-Fall ist uns hingegen nicht bekannt. Lediglich ein Patient hatte über zwei Ecken Kontakt zu einer Person, die sich mit dem Coronavirus angesteckt hatte.

PARI-Blog: Was raten Sie beunruhigten Lungenpatienten in der aktuellen Situation?

Prof. Dr. Rainald Fischer: Vor allem eines: Ruhe bewahren und sich von der Panik nicht anstecken lassen. Wichtig ist es, sich möglichst nicht gleich beim geringsten Verdacht in ärztliche Behandlung zu begeben. Solange keine starken Symptome, das heißt Atemnot, schlechte Sauerstoffsättigung, hohes Fieber über mehrere Tage aufgetreten sind, bitte nicht die Notaufnahme aufsuchen. Dies ist wichtig, weil die Krankenhäuser sonst von nicht behandlungsbedürftigen Menschen überrannt werden und die wirklich kranken Patienten nicht mehr behandelt werden können. Derzeit werden bereits Medikamente zur Behandlung der Corona-Virus-Infektion in Studien getestet. Wenn diese Studien positive Ergebnisse zeigen, könnten bereits in einigen Wochen gezielte Therapien zur Virusbekämpfung zur Verfügung stehen.

PARI-Blog: Welche Lehren sollte man aus der aktuellen Situation ziehen?

Prof. Dr. Rainald Fischer: Die Lehre, die alle und insbesondere Menschen mit chronischen Lungenerkrankungen aus den vergangenen Wochen ziehen sollten, ist, sich im nächsten Herbst gegen Grippe impfen zu lassen und natürlich auch gegen den Coronavirus, sollte ein Impfstoff zur Verfügung stehen. Es gibt immer noch einige Lungenpatienten, die sich nicht impfen lassen. Als Argument gegen eine Grippeimpfung führen sie an, die Impfung nicht zu vertragen und sich danach einige Tage angeschlagen zu fühlen. Dieses Gefühl der Abgeschlagenheit ist nichts im Vergleich dazu, wenn man tatsächlich an Grippe erkrankt. Die Grippe ist eine schwerwiegende Erkrankung mit potenzieller Todesfolge, vor der man sich durch eine Impfung einfach und wirkungsvoll schützen kann*.

*Der Grippeimpfstoff muss jährlich neu entwickelt und an den aktuellen Virus angepasst werden. Dadurch wirkt der Impfstoff nicht in jedem Jahr gleich gut und umfassend gegen die Grippeviren. Grippeviren verändern sich kontinuierlich.

Prof. Dr. Fischer, vielen Dank für das Gespräch.

 

HINWEIS: Das Gespräch mit Prof. Dr. Fischer wurde Anfang März 2020 geführt. Die Aussagen wurden auf Grundlage der zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Informationen getroffen.

Der Inhalt des Beitrags stellt keine Therapieempfehlung dar. Die Bedürfnisse von Patienten sind individuell sehr verschieden. Vorgestellte Therapieansätze sollen nur als Beispiele dienen. PARI empfiehlt Patienten, sich stets mit ihrem behandelnden Facharzt abzusprechen und sich im Verdachtsfalls einer Erkrankung an den behandelnden Arzt zu wenden.

Über Prof. Dr. Rainald Fischer:

Prof. Dr. Rainald Fischer ist niedergelassener Facharzt für Innere Medizin, Teilgebiet Lungen- und Bronchialheilkunde, Fachkunde Notfallmedizin, Schlafmedizin und Allergologie in München-Pasing. Davor war er als Internist und Lungenfacharzt, zuletzt Oberarzt an der medizinischen Universitätsklinik Innenstadt München tätig. Prof. Dr. Rainald Fischer ist Gründungsmitglied und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Berg- und Expeditionsmedizin, außerdem Mitglied in der ärztlichen Arbeitsgemeinschaft Mukoviszidose.

 

Ein Beitrag der PARI-BLOG Redaktion.


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