Erfahrungen nach der Transplantation: Mein Leben mit einer Spenderlunge

Reiner Heske lebt mit Mukoviszidose (CF). Die Erbkrankheit zerstörte im Laufe der Zeit seine Lunge. Daher erhielt Reiner Heske 2013 eine Spenderlunge. Nach der Transplantation änderte sich sein Leben radikal – hauptsächlich zum Guten. Aber ein transplaniertes Organ wirft auch Schatten auf das neue Leben. Im Interview teilt Reiner Heske seine Erfahrungen mit dem Leben nach Transplantation und einer Spenderlunge.

PARI-Blog: Reiner, 2013 erhielten Sie eine Spenderlunge. Was wissen Sie über die OP?

Reiner Heske: Eine Lungentransplantation ist ein ziemlich martialischer Eingriff, bei dem der Brustkorb aufgeschnitten und die Rippen gespreizt werden. Meine OP dauerte sechs Stunden. Erst wurde der eine, dann der andere Lungenflügel getauscht. Bei mir war die Lunge allerdings so stark verwachsen, dass die Lungenflügel nicht einfach entnommen werden konnten, sondern eher herausgeschält werden mussten. Dadurch kam es zu schweren Nachblutungen nach der Transplantation. Ich brauchte auch nach der Operation mehrere Blutkonserven und Blutplasma, da ich mehrmals kurz vor der Bewusstlosigkeit stand.

PARI-Blog: Wie haben Sie das Aufwachen aus der Narkose nach der Operation erlebt?

Reiner Heske: Erstmal war ich heilfroh, dass ich noch lebte. Das Aufwachen war sehr freudig. Denn zu meiner Überraschung begrüßte mich eine sehr nette Mukoviszidose-Ärztin, die ich von früher kannte und nun offensichtlich an die Transplantationsklink gewechselt war. Ich hatte sie seit Jahren nicht mehr gesehen. Das war ein schöner Zufall. Im Aufwachraum war ich zwar von der Narkose geistig noch ziemlich benebelt, aber körperlich dennoch relativ fit. Ich hatte den Tubus der künstlichen Beatmung im Hals, wollte aber möglichst schnell wieder sprechen können. Mit Tubus im Hals geht das nicht. Deswegen schrieb ich kleine Nachrichten auf Papierzettel, um mich verständlich zu machen. Zum Glück konnte der Tubus rasch entfernt werden. Im Aufwachraum wurde außerdem ein Ultraschall an den Stellen bzw. den Narben gemacht, wo die Spenderlunge an der Luftröhre angenäht worden war. Im Anschluss an die OP lag ich drei Wochen teilintensiv im Krankenhaus. Das war eigentlich eine ziemlich anstrengende Zeit. Ich teilte mir mit zwei weiteren Patienten das Zimmer. An Schlaf war in dieser Zeit nicht zu denken, da wir alle an Überwachungsmonitore angeschlossen waren, die ständig piepsten.

PARI-Blog: Der erste Atemzug mit einer neuen Lunge – wie fühlte sich das an? Bestimmt super, oder?

Reiner Heske: Eigentlich noch nicht. Ich hatte das Gefühl, nicht direkt voll Luft holen zu können. Gerade das Einatmen war anfangs sehr beschwerlich, so also hätte ich einen Spanngurt um den Brustkorb gelegt, der die Atembewegung blockiert. Ich hatte Schmerzen im Brustkorb und traute mich gar nicht über diese Blockade hinaus einzuatmen. Es fühlte sich an, als würde es mir beim tiefen Einatmen meinen Brustkorb auseinanderreißen. Durch die jahrzehntelange schwere Lungenerkrankung hatte sich ein sehr steifer und ausgeprägter Fassthorax entwickelt. Deswegen war mein Brustkorb so unbeweglich. Dieser unflexible Brustkorb traf nun auf eine Lunge, die topfit war. Mein Brustkorb war meine alte Lunge mit einem sehr geringen Lungenvolumen von circa 0,9 Liter FEV1 gewohnt. Mit meiner Spenderlunge schaffe ich heute 3,7 Liter beim FEV1. Das ist eine Steigerung auf über 300 Prozent. Der Körper musste sich erst umstellen und sich an die Leistungsfähigkeit der Spenderlunge gewöhnen – anfangs offensichtlich schmerzlich. Zudem hatte ich nach der OP noch links und rechts am Brustkorb Drainagen liegen, damit das Wundsekret ablaufen konnte. Das trug auch nicht gerade zum Wohlbefinden bei.

PARI-Blog: Wann konnten Sie nach der Transplantation zum ersten Mal richtig durchatmen?

Reiner Heske: Ich hatte nach der Transplantation noch zwei bis drei Tage Sauerstoff. Vor dem Moment, den Schlauch aus der Nase zu nehmen, hatte ich ehrlich gesagt Angst. Schließlich gehörte der Schlauch seit Jahren zu mir, und hatte mein Überleben gesichert. Ich war am Sauerstoffmessgerät angeschlossen und konnte sehen, dass meine Sättigung auch ohne Sauerstoffversorgung bei 94 bis 95 Prozent lag. Sensationell. Ich war hin und weg. Denn meine Spenderlunge war noch nicht einmal komplett entfaltet. Das bedeutete, die Sättigung würde mittelfristig noch weiter steigen. Richtig und befreit durchatmen konnte ich erst drei bis vier Wochen nach der Transplantation. Das Gefühl eines eingeschränkten Brustkorbs beim Einatmen hatte ich mindestens noch ein bis eineinhalb Jahre. Ich gehe stark davon aus, dass mir der Sport dabei geholfen hat, dieses Gefühl des eingeengten Brustkorbs relativ rasch los zu werden.

PARI-Blog: Mussten Sie nach der Transplantation bestimmte Atemtherapien oder Maßnahmen durchführen?

Reiner Heske: Ich nutze diverse Atemhilfsgeräte. Das waren zum einen Geräte, mit denen ich die Atmung trainieren und kräftigen konnte. Zum anderen hatte ich PARI PEP-Systeme dabei, die ich schon aus der CF-Therapie kannte. Anfangs befand sich noch Wundsekret in der Lunge. So löste sich zum Beispiel die Schleimhaut vom Spender ab. Meine Lunge bildete eine neue Schleimhaut darüber. Um diese verklumpte, alte Schleimhaut und das Sekret besser mobilisieren zu können, inhalierte ich täglich zwei Mal mit Kochsalz und nutze die PEP-Systeme. Außerdem musste ich ein Antipilzmittel inhalieren, um einer Besiedelung der Lunge mit Pilzen vorzubeugen. Zudem hatte ich in den ersten Wochen nach der Transplantation viele Bronchoskopien, wo immer wieder nach dem Rechten geschaut, und die Lunge vom Wundsekret gereinigt wurde.

PARI-Blog: Vor der Transplantation mussten Sie sehr viel für die Lunge inhalieren. Wie sieht das jetzt aus?

Reiner Heske: Das ist richtig. Vor der Transplantation gab es keinen Tag für mich, an dem ich ohne Inhalationstherapie das Haus verlassen habe oder ins Bett gegangen bin. Jetzt muss ich für die Lunge nicht mehr inhalieren. Morgens stehe ich auf, frühstücke und gehe eine Runde Laufen oder schwinge mich aufs Fahrrad. Der Gewinn an Lebensqualität ist unbeschreiblich.

PARI-Blog: Sind Sie nun also von der Mukoviszidose geheilt?

Reiner Heske: Ich fühle mich wie ausgewechselt. Ich habe keine Atemnot mehr, bin leistungsfähig. Direkt nach der Reha begann ich mit Sport und merkte schnell, dass ich Lust an der Bewegung hatte. Noch im Jahr der Transplantation legte ich 500 Kilometer beim Walking zurück. Dann im Januar 2014 startet ich mit Laufintervallen – Laufen und Walken immer im Wechsel. Im April 2014 konnte ich bereits mit 30 Mitläufern einen 10-Kilometerlauf absolvieren, um auf Organspende und Mukoviszidose aufmerksam zu machen. Nach dem Lauf fühlte ich mich wie ein kleiner König. Ich hatte plötzlich großen Spaß daran, mit Gesunden um die Wette zu laufen. Selbst heute kann ich dieses Glücksgefühl noch nicht in Worte fassen.

Aber geheilt? Nein, geheilt bin ich nicht. Eine Transplantation ist keine Heilung, sondern eine Therapie. Die Krankheit habe ich immer noch. Natürlich sind die klassischen Mukoviszidose-Symptome in der Lunge nicht mehr vorhanden, aber im Rest des Körpers besteht die Krankheit nach wie vor. Zum Beispiel muss ich immer noch Enzyme zu den Mahlzeiten einnehmen und der Darm macht weiterhin Probleme. Es ist auch nach wie vor eine Herausforderung für mich mein Gewicht zu halten, gerade wenn ich viel Sport treibe. Ein Problem, das viele CF-ler kennen. Außerdem habe ich das Gefühl, dass sich die Mukoviszidose mittlerweile andere Wege sucht. Früher hatte ich keine Probleme mit den Nasennebelhöhlen. Jetzt machen sich meine Nasennebelhöhlen des Öfteren bemerkbar.

PARI-Blog: Wie gestalten sich die Probleme mit den Nasennebenhöhlen und was tun Sie dagegen?

Reiner Heske: In den Nasennebelhöhlen sammelt sich Sekret, das mich bei der Atmung behindert. Es bilden sich Borken, die zusätzlich stören. Zudem besteht die Gefahr, dass sich das Bakterium Pseudomonas aeruginosa im Nasensekret weiterverbreitet. Deswegen reinige ich täglich meine Nase mittels Nasendusche. Im vierwöchigen On-Off-Rhythmus führe ich eine Antibiotika-Inhalation mit dem PARI Sinus für die Nase durch, um die Keime zu reduzieren. Die heutige Naseninhalationstherapie nimmt dabei deutlich weniger Zeit in Anspruch als die Inhalationstherapie für die Lunge vor der Transplantation.

PARI-Blog: Im Grunde genommen klingt es aber so, als hätten sich die meisten Probleme gelöst? Ist das so oder bringt die Transplantation auch Einschränkungen mit sich?

Reiner Heske: Viele Probleme haben sich gelöst, ja. Wie gesagt, die Symptomatik in der Lunge ist weg. Ich habe keine Atemnot mehr, ich bin extrem leistungsfähig und konnte in den vergangenen Jahren Marathon-Läufe und Radrennen bis 120 Kilometer Länge absolvieren. Das wäre vor der Transplantation undenkbar gewesen. Da brachten mich wenige Meter Gehen schon an die Grenzen meiner körperlichen Belastbarkeit und das trotz Sauerstofftherapie. Ein weiterer positiver Effekt ist, dass sich durch die Therapie mit Immunsuppressiva nun mein früher stark ausgeprägtes allergiebedingtes Asthma fast komplett gelegt hat. Das Atmen heute ist mit dem von Früher nicht zu vergleichen. Meine Bronchien waren immer eng. Ich atmete wie durch einen Strohhalm und es wurde immer schlimmer. Atmen war Arbeit für mich, auch schon in der Jungend. Als Kind versuchte ich es meinen Freunden gleich zu tun, wurde aber ständig ausgebremst – durch Luftnot und durch Infekte. Jetzt bremst mich meine Lunge nicht mehr aus. Einen großen Unterschied konnte ich auch bei Atemwegsinfekten feststellen. Zum einen hatte ich in den vergangenen Jahren deutlich weniger Infekte. Zum anderen war krank sein mit deutlich weniger Leid verbunden als früher. Vor der Transplantation gingen Infekte mit unerträglicher Atemnot einher, ich musste minutenlange, starke Hustenattacken ertragen bis mir vor Anstrengung die Tränen die Wangen herunterliefen. Ein Infekt endete in der Regel immer im Krankenhaus mit einer mehrwöchigen intravenösen Antibiotika-Therapie. Heute habe ich ein bisschen Schnupfen oder ein kleines Hüsteln, wenn ich krank bin. Das war es aber auch schon – aus der Perspektive eines CF-lers hat das nichts mit krank sein zu tun, es ist ein Klacks.

Einschränkungen gibt es natürlich. Beispielsweise ist es unter der Kortison-Therapie schwieriger Muskeln aufzubauen. Eine weitere Einschränkung ist, dass ich kein rohes Fleisch essen. Generell muss ich darauf achten, möglichst keimfrei zu essen; das heißt im Idealfall alles kochen, garen oder erhitzen, damit potenzielle Bakterien und Viren auf der Nahrung abgetötet werden. Eine strikte Hygiene gehört ebenso zu meinem Alltag. Aber diese Einschränkungen nehme ich gerne in Kauf. Nach einer Transplantation verlagern sich die Einschränkungen und Belastungen vom Körper auf die Psyche.

PARI-Blog: Wie meinen Sie das – die Belastungen verlagern sich auf die Psyche?

Reiner Heske: Vor der Transplantation habe ich versucht, möglichst alles zu machen, worauf ich Lust hatte. Dazu gehörte auch, am öffentlichen Leben teilzunehmen. Das versuche ich jetzt auch, aber seit der Transplantation muss ich mehr auf Hygiene achten. Durch die Immunsuppressiva stecke ich mich leichter an. Das ist deswegen problematisch, weil das Immunsysteme bei einem Infekt eventuell nicht unterscheiden kann, was es bekämpfen soll. Sind es die Viren, die nicht in die Lunge gehören oder ist es die Lunge selbst, die da nicht hingehört? Deswegen kann jeder Infekt eine Abstoßungsreaktion begünstigen. Mit der Corona-Pandemie sind meine Sorgen daher nicht weniger geworden, zumal ich mich sowieso schon seit Jahren an die nun empfohlenen hygienischen Maßnahmen halte, meist Mundschutz trage und mich so gut wie möglich selbst isoliere. Außerdem habe ich immer im Hinterkopf, dass jedes Spenderorgan irgendwann einmal abgestoßen wird. Bei der Lunge dauert es durchschnittlich zehn Jahre. Meine Transplantation ist mittlerweile sieben Jahre her. Da macht man sich schon so seine Gedanken. Aber Statistiken sind ja relativ.

PARI-Blog: Eine Lebenserwartung nach der Lungentransplantation von durchschnittlich zehn Jahren. Das klingt erschreckend. Wie kündigt sich eine Abstoßung an? Und kann man dagegen etwas tun?

Reiner Heske: Eine Verschlechterung der Lungenfunktion kann ein erstes Anzeichen für die Abstoßung der Spenderlunge sein. Daher kontrolliere ich meine Lungenfunktion täglich zuhause selbst, um nichts zu versäumen. Es gibt Therapien, mit denen man die Abstoßung bestenfalls bremsen kann. Wenn das nicht wirkt, ist theoretisch noch eine Re-Transplantation, also eine zweite Transplantation, möglich.

PARI-Blog: Eine zweite Transplantation – käme diese für Sie in Frage?

Reiner Heske: Eine zweite Transplantation kann nur unter ganz bestimmten Bedingungen durchgeführt werden. Neben medizinischen Voraussetzungen hängt es auch von den Regularien ab, die im jeweiligen Land herrschen. In Deutschland zum Bespiel werden Mukoviszidose-Patienten nur bis zu einem Alter von maximal 60 Jahren transplantiert. Zudem müssen alle Parameter passen und der Patient darf keine bösartigen Vorerkrankungen haben. Bei mir ist nur noch die halbe Bauchspeicheldrüse vorhanden, Gallenblase, Blinddarm, Zwölffingerdarm und Teile des Darms wurden entfernt. Zudem bin ich über 50 Jahre alt. Solche Gedanken gehen in meinem Kopf herum. Und daher könnte ich mir vorstellen, dass es schon aufgrund des Alters für mich mit einer zweiten Transplantation eng werden könnte.

PARI-Blog: Ausschließlich positiv klingt das alles nicht. Was würden Sie anderen Menschen raten, die sich für oder gegen eine Lungentransplantation entscheiden müssen?

Reiner Heske: Ich sehe es so, dass ich mit der Spenderlunge sieben Jahre ein unbeschwertes, freies, schönes Leben geschenkt bekommen habe. Daher bin ich dem Spender und dessen Familie für immer sehr dankbar. Für mich war und ist der Schritt der Transplantation der absolut richtige gewesen. Ich würde jedem dazu raten, diesen Schritt zu wagen, wenn er Freude und Spaß am Leben hat. Natürlich geht man ein Risiko ein, natürlich gibt es auch Nachteile, die man im Aufklärungsgespräch übrigens knallhart serviert bekommt. Aber wenn man vor der Entscheidung für oder gegen eine Transplantation steht, hat man meist nicht wirklich eine Wahl. Was hat man schon zu verlieren? Ich würde den Weg wieder gehen.

PARI-Blog: Reiner, vielen Dank für das offene Gespräch. 


Über Reiner Heske

Reiner Heske wurde 1969 mit der Erbkrankheit Mukoviszidose geboren und 2013 Lungen transplantiert. Nach seiner Transplantation wurde er sportlich aktiv und nahm an Sportveranstaltung teil, um auf Mukoviszidose und auf die Wichtigkeit von Organspenden aufmerksam zu machen. Er nimmt an Sponsoren-Läufen teil, um Spendengelder für Mukoviszidose zu sammeln. Zusätzlich zu diesem Engagement veranstaltet Reiner Heske selbst Spendenläufe für Mukoviszidose. Mehr Informationen über den Muko-Lauf Oberberg und das Thema Organtransplantation finden Sie unter: https://www.reinerheske-laufendhelfen.de (Link)


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Hinweis: Bei den im Interview getroffenen Aussagen handelt es sich um die individuelle Sichtweise des Interviewten. Diese spiegeln nicht zwangsläufig die PARI Sichtweise oder den allgemeinen Stand der Wissenschaft wider.


Ein Beitrag der PARI-BLOG Redaktion.


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