Dienstag, 29. Oktober 2019
Barbara Hänni ist seit zehn Jahren mit ihrem Mann, Markus, verheiratet und hat mit ihm zwei Töchter. Doch Markus leidet an der Erbkrankheit Mukoviszidose. Warum hat sie ihn trotzdem geheiratet? Wie sieht ihre Beziehung mit einem chronisch kranken Mann aus? Warum zählt für sie die Liebe zu einem Menschen mehr als dessen körperliche Unversehrtheit?
Barbara Hänni: Ich wusste schon, dass Markus an Mukoviszidose leidet, bevor ich ihn überhaupt kannte. Eine meiner Freundinnen hatte mir von ihm und seiner chronischen Erkrankung erzählt. Als ich ihn kennenlernte, haben wir über seine Krankheit nicht gesprochen. Damals versteckte er seine Erkrankung noch. Er ging nicht so offen damit um, wie er das heute tut. Das erste Mal, dass ich Markus über seine Mukoviszidose erzählen hörte, war in einer Gesprächsgruppe unserer Kirchengemeinde. Damit sich die Gruppenmitglieder besser kennenlernten, machten wir eine Übung. Jeder sollte seine Maske, seine Fassade ablegen und etwas Persönliches erzählen. Markus sprach über seine CF, über die Therapie und Inhalation, die er jeden Tag durchführen muss, über seine statistisch gesehen verkürzte Lebenserwartung. Damals empfand ich ein hohes Maß an Mitleid für ihn. Ich dachte mir: Der Ärmste! Er muss mit so vielen Einschränkungen durch sein Leben gehen und wird bald sterben.
Barbara Hänni: Nein, keinesfalls. Mitleid empfinde ich heute nicht mehr für ihn. Natürlich leide ich mit ihm mit, wenn es ihm schlecht geht, und ich empfinde Empathie für seine Situation, aber ich blicke nicht mehr mit diesem großen Mitleid auf ihn. Ich sehe in Markus einen sehr liebenswerten, positiven, sympathischen Mann, der eben zufälligerweise Mukoviszidose hat. Die Krankheit ist ein Teil von ihm, aber nicht das einizige, was ihn ausmacht. Außerdem habe ich mich daran gewöhnt, dass es die Krankheit im Alltag gibt. Es ist für mich zur Normalität geworden.
Barbara Hänni: Weil ich irgendwann zu dem Schluss gekommen bin, dass es das größte Glück ist, einen Menschen zu treffen, mit dem man rundum gut auskommt und so sehr liebt. Soll man dieses Glück tatsächlich aufgeben, weil der geliebte Mensch krank ist? Ironischerweise bin ich erst zu diesem Schluss gekommen, nachdem ich Markus sagte, aus uns würde nie ein Paar werden. Als ich das ausgesprochen hatte, begann sich die Gedankenspirale zu drehen: Ist die Krankheit wirklich ein No-Go für eine Beziehung? Wiegt die Krankheit tatsächlich mehr als all die positiven Aspekte, die ich in Markus sehe? Er ist ein geselliger, optimistischer Typ, hat Humor. Wir lachen viel, haben eine ähnliche Einstellung zum Leben und Interessen. Es macht Spaß, mit ihm Zeit zu verbringen. Soll ich auf das verzichten, nur weil er zufällig krank ist und vielleicht früher stirbt? Ich arbeite auf der Krebsstation. Und da sehe ich, dass auch gesunde Partner plötzlich erkranken und sterben können. Daher und nach einigen Gesprächen mit meiner Familie und Freunden habe ich mich für Markus entschieden. Er ist ein toller Mann.
Barbara Hänni: Markus hat eine bewundernswerte Disziplin, was seine Inhalationstherapie anbelangt. Er macht diese konsequent jeden Tag zwei Mal und zwar immer. Das finde ich sehr beeindruckend, gerade weil ich nicht so diszipliniert bin – Beispiel Sport. Wenn ich da etwas anfange, werfe ich meist nach zwei Wochen das Handtuch. Deswegen ist Markus mir in Sachen Disziplin ein riesen großes Vorbild. Außerdem gefällt mir sein Blick aufs Leben. Er setzt seine Prioritäten im Leben sehr klar. Gesunden gelingt das oft nicht so gut. Er stellt immer den Menschen ins Zentrum und nicht dessen Leistung. Das ist sehr erfrischend in der heutigen Leistungsgesellschaft. Und er lebt in großer Zufriedenheit trotz der Erkrankung, obwohl man in seiner Situation auch verbittert sein könnte. Schließlich bleiben ihm durch seine Erkrankung bestimmte Sachen verwehrt – zum Beispiel Sport, berufliche Karriere oder die Möglichkeit, den Tag spontan zu gestalten. Trotzdem ist er glücklich und zufriedener als so manch Gesunder.
Barbara Hänni: Die Einschränkungen kommen zum einen dadurch, dass Markus körperlich weniger belastbar ist und häufiger durch Infekte ausfällt. Zum anderen erfordert es Rücksichtnahme, weil er inhalieren muss. Markus inhaliert morgens nach dem Frühstück, während ich mich um die Kinder kümmere oder Einkäufe erledige. Nachmittags gegen 17 Uhr zieht sich Markus erneut zurück, um zu inhalieren und Atemtherapie zu machen. In diesen Zeiten habe ich keine Hilfe, aber unser Alltag funktioniert trotzdem gut und ist für uns normal. Als Einschränkung empfinden wir die Inhalation nur in Ausnahmesituationen. Zwei Beispiele: Um 6 Uhr morgens zu einem Ausflug loszufahren, geht nicht. Für Markus würde das bedeuten, um 4 Uhr aufstehen zu müssen und sich dann übermüdet durch den Tag zu schleppen. Spontan nach einem Ausflug auswärts zu übernachten, ist ebenso wenig möglich. Medikamente und Inhaliersachen bleiben in der Regel zuhause. Deswegen müssen wir zurück, damit Markus seine Medikamente inhalieren kann.
Barbara Hänni: Würde es ohne die Therapie gehen, wäre das natürlich schöner. Das geht aber nicht. Die Inhalationstherapie ist eine absolute Notwendigkeit. Würde Markus eine Inhalation entfallen lassen, hätte er sofort mehr Sekret und Probleme. Er könnte nachts nicht schlafen, sondern würde sich durch die Nacht husten. Auch die Inhalation der Antibiotika ist unerlässlich, da diese ihn vor schlimmen Lungeninfekten und Entzündungen schützt.
Barbara Hänni: Ich bin in unserem Familiensystem der Fels in der Brandung, der immer funktionieren muss. Markus hat nicht so viel Energie und braucht häufiger Pausen. Deswegen möchte ich ihn nicht zu stark belasten und übernehme Aufgaben alleine, die andere vielleicht gemeinsam erledigen – zum Beispiel Vorbereitung für ein Fest und die Aufräumarbeiten danach. Markus ist anfälliger für Infekte, die ihn plötzlich ins Krankenhaus befördern können. Wenn Markus im Krankenhaus ist, bin ich wie eine alleinerziehende Mutter. Ich gehe arbeiten, kümmere mich allein um die Kinder und das Haus.
Barbara Hänni: Das Bewusstsein, den Großteil der Verantwortung für uns als Familie zu tragen, wiegt manchmal schwer. Ab und an denke ich mir auch, dass ich ein bisschen mehr Hilfe gebrauchen könnte. Aber grundsätzlich bin ich ein Mensch, der durch Druck zu Höchstleistungen anspornt wird, und der gerne Verantwortung und Führung übernimmt. In meiner Partnerschaft mit Markus werde ich täglich herausgefordert. Diese Herausforderung hat ihren Reiz. Ich finde es gut, wenn ich mein Organisationstalent und meine Belastbarkeit einsetzen kann. Manchmal sagen mir meine Freunde, dass ich extrem viel Energie habe und Sie sich manchmal fragen, wie ich das alles schaffe. Das ist ein schönes Kompliment und gibt mir Genugtuung. Ab und zu scherzen Markus und ich auch, dass unsere Beziehung nur so gut funktioniert, weil er krank ist und dadurch manchmal gezwungen, sich nicht so stark zu involvieren. Wäre er gesund, würden wir vielleicht häufiger aneinandergeraten, weil wir beide in Führung gehen wollten. Irgendwie trägt die Krankheit also zur Harmonie in der Beziehung bei (lacht). Außerdem lebe ich durch Markus Erkrankung bewusster und reflektierter, weil ich mich regelmäßig mit existenziellen Problemen auseinandersetzen muss.
Hinweis: Bei den im Interview getroffenen Aussagen handelt es sich um die individuelle Sichtweise der Interviewten. Diese spiegeln nicht zwangsläufig die PARI Sichtweise oder den allgemeinen Stand der Wissenschaft wider.
Ein Beitrag der PARI-BLOG Redaktion.
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