Lungensport in Zeiten von Corona: Fit bleiben & Ansteckungsgefahr klein halten

Menschen mit chronischen Atemwegserkrankungen sollen trotz Corona ihre verordnete Therapie und Inhalation unverändert fortführen. Gleiches gilt für Lungensport und Bewegung. Denn Sport und körperliche Aktivität ist bei vielen chronischen Atemwegserkrankungen eine der effizientesten Maßnahmen, um Lebensqualität und Atemnot zu verbessern.

Beim Lungensport treiben mehrere Erkrankte gemeinsam in der Gruppe Sport unter der Anleitung eines Lungensporttrainers. Bedingt durch die Corona-Krise war bisher kein Lungensport mehr möglich. Mit den Lockerungen werden nun aber auch wieder Lungensportgruppen mit dem Training anfangen können. Für den Einzelnen stellt sich hier dennoch die Frage: Soll ich am Training in der Gruppe teilnehmen oder lieber nicht? Wir haben mit Dr. Uta Butt, Ärztin und Geschäftsführerin der AG Lungensport, gesprochen.

PARI-Blog: Frau Dr. Butt, warum sollten Lungenpatienten gerade jetzt in Zeiten von Corona körperliche Aktivität und Lungensport weiterführen?

Dr. Uta Butt: Bewegung gehört wesentlich zu einem gesunden Lebensstil. Gerade bei Menschen mit chronischen Atemwegserkrankungen führt Bewegungsmangel auf Dauer zu einer geringeren Belastbarkeit im Alltag und zu mehr Atembeschwerden. Daher ist ein für den jeweiligen Patienten angemessenes Bewegungsprogramm wichtig, gerade in Zeiten von Corona. Denn Bewegung führt zu einer verbesserten Belüftung der Lunge, einer besseren Durchblutung der Schleimhaut in den Atemwegen und zu einer Stärkung der Immunabwehr – Sport fördert also genau das, was jeder aktuell braucht: ein stabiles Immunsystem.

Beim Training gilt es allerdings zu beachten, seine persönliche Belastungsgrenze nicht zu überschreiten. Das wäre kontraproduktiv. Denn wer sich regelmäßig überbelastet, schwächt sein Immunsystem und erhöht das Risiko für Infekte. Patienten sollten daher gut auf ihren Körper achten, wenn sie alleine und ohne Anleitung eines Experten Sport treiben. Tritt nach der Bewegung kein Entspannungseffekt ein, sondern fühlen sich die Patienten erschöpft, schlafen unruhig und sind nervöser als sonst, sind das Anzeichen für eine Überbelastung.

PARI-Blog: Lungensport-Gruppen dürfen wieder stattfinden. Ist die Teilnahme für Lungenpatienten sicher?

Dr. Uta Butt: Gegen eine Fortführung des Lungensports und Patientenschulungen ist bei konsequenter Beachtung der Abstandsregeln, der bekannten Hygieneregeln und der aktuellen Beschwerden der Patienten im Rahmen kleiner Sportgruppen nichts einzuwenden. Patienten mit akuten Symptomen, wie Halsschmerzen, Niesen, Husten, Temperatur etc. dürfen unabhängig vom Schweregrad der Symptome selbstverständlich nicht an den Lungensportgruppen teilnehmen.

Auch das Tragen eines leichten Mund-Nasen-Schutzes kann – wenn möglich – zwischen den Übungen sinnvoll sein. Zwar schützen diese nicht sicher vor einer Ansteckung, aber jeder Schutz ist besser als gar keiner. Zudem rufen die Masken die aktuelle Corona-Lage ins Gedächtnis, was dazu führen kann, dass Teilnehmer besser auf den nötigen Abstand achten. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen sollen in Sportkleidung zum Training erscheinen und in der Umkleide oder Halle nur die Schuhe wechseln.

Zu beachten gilt es, dass auf Grund der Entwicklung der Infektionszahlen Sport in einzelnen Städten oder Landkreisen auch wieder untersagt werden kann.

PARI-Blog: Aktuell werden alle Lungenpatienten mehr oder weniger zur Risikogruppe gezählt, die einen schweren COVID-19-Verlauf zu befürchten hat. Wie können Patienten individuell ihr Risiko für die Teilnahme an Lungensportgruppen abschätzen?

Dr. Uta Butt: Die kurze und einfache Antwort wäre, je ausgeprägter die Lungenvorerkrankungen, umso höher das Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf und umso vorsichtiger sollten Betroffene mit Kontakten außerhalb ihres Haushaltes sein. Da aber momentan die Datenlage noch sehr dünn ist, kann die Beurteilung der Risikofaktoren für einen schweren Verlauf aktuell noch nicht abschließend erfolgen, sondern erst nach dem Vorliegen von umfassenden epidemiologischen Daten aus Deutschland.

Momentan zeigen die Daten, dass ältere Menschen (> 65 Jahre alt) und Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen und/oder Diabetes und/oder deutlichem Übergewicht das größte Risiko für schwere COVID-19-Verläufe haben. Chronische Lungen-, Nieren- und Leber-Erkrankungen, das Vorliegen einer Immunschwäche und Zigarettenrauchen werden als weitere Risikofaktoren angesehen. Dabei scheint das Vorliegen von mehr als einer chronischen Erkrankung das Risiko deutlich zu erhöhen.

Die Risikoabschätzung ist also sehr individuell. Als Hilfestellung für ihre persönliche Risikoabschätzung können sich Patienten an zehn exemplarischen Fallbeispielen orientieren, welche die Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DPG)  und die Atemwegsliga zusammengestellt haben. Zudem können Patienten die lokalen Corona-Fallzahlen ihres Wohnsitzes und desjenigen Ortes beobachten, an dem die Lungensportgruppe stattfindet. Dies gibt Hinweise auf das Ansteckungsrisiko. Aktuell dürfte zum Beispiel in Rosenheim in Bayern das Ansteckungsrisiko tendenziell deutlich höher sein als in Rostock in Mecklenburg-Vorpommern. Sind sich Patienten sehr unsicher, können Sie die Einschätzung Ihres Haus- oder Lungenfacharztes erfragen.

PARI-Blog: Was können Lungenpatienten machen, wenn Ihnen die Teilnahme an Lungensportgruppen als zu riskant erscheint?

Dr. Uta Butt: In diesem Falle ist es wichtig, dass Patienten individuell ihre Übungen fortführen. Die AG Lungensport unterstützt, indem Patienten zum Beispiel eine Broschüre mit Übungen und Anleitungen bestellen können. Außerdem stellen wir im YouTube-Kanal „Lungensport - fit zum Atmen“ einfache Übungen vor, die Patienten zuhause nachmachen können.

Zudem kann ich zu Bewegung an der frischen Luft raten. Vor allem ein Ausdauertraining ist wegen der besseren Luftfeuchtigkeit an der frischen Luft empfehlenswert. Patienten sollten allein oder mit dem Partner – wenn möglich – für mindestens 20 Minuten spazieren gehen oder draußen anders sportlich aktiv sein. Natürlich gilt es hier den Abstand von mindestens 2 Metern zu anderen Menschen einzuhalten. Das ist besonders einfach auf Strecken, die wenig frequentiert sind, oder zu Uhrzeiten, zu denen wenig los ist, wie am frühen Morgen. Egal wie, Lungenpatienten sollten gerade jetzt aktiv bleiben.

PARI spendet an die AG Lungensport

 

PARI unterstützt mit seiner PARI RunAIR Spende über 15.000 Euro den Lungensport. Lesen Sie hier mehr über den erfolgreichen Abschluss der Charity Kampagne 2019 und den Spendenempfänger AG Lungensport.


Hinweise: Bei den im Interview getroffenen Aussagen handelt es sich um die individuelle Sichtweise des Interviewten. Diese spiegeln nicht zwangsläufig die PARI Sichtweise oder den allgemeinen Stand der Wissenschaft wider.

Das Gespräch mit Dr. Uta Butt ist Mitte Mai 2020 entstanden. Die Aussagen wurden auf Grundlage der zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Informationen getroffen.


Ein Beitrag der PARI-BLOG Redaktion.


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