Donnerstag, 25. August 2022
Zum Herbst breiten sich regelmäßig Erkältungskrankheiten und Atemwegsinfekte in Krippe, Kita und Kindergarten aus. Die Kleinen schniefen und husten gefühlt durchgehend von Oktober bis März. Um ihren Babys und Kindern zu helfen, greifen immer noch viele Eltern zu Topf, heißem Wasser sowie einer Prise Salz und lassen ihre Sprösslinge unter einem Handtuch den heißen Wasserdampf einatmen. Die Methode hält sich hartnäckig, obwohl die Inhalation von heißem Wasserdampf die gewünschte Wirkung verfehlt und sogar Risiken in sich birgt.
Studien zeigen, dass sich Babys und Kinder bei der Inhalation von heißem Wasserdampf böse Verbrühungen und Verbrennungen zuziehen. So betrachteten die Autoren um Himandi in einer retrospektiven Studie Patienten, die in einem walisischen Zentrum für Verbrennungen und Verbrühungen behandelt wurden, nachdem sie sich Verbrühungen bei der Anwendung von Dampfinhalation zugezogen hatten. Zwischen den Jahren 2010 und 2015 kamen 16 Kinder im Alter von eins bis 15 Jahren in das Zentrum. Es wurden Verbrennungen von bis zu 17 Prozent der gesamten Körperoberfläche festgestellt. Ein Kind musste chirurgisch versorgt werden, alle anderen erhielten Wundverbände.1
Die Autoren Lonie, Baker und Teixeira werteten retrospektiv Krankenakten von Kindern aus, die in einem Zeitraum von 10 Monaten (November 2014 bis August 2015) wegen Verbrühungen und Verbrennung in Folge von Dampfinhalation in der Ambulanz vorgestellt wurden. In diesem Zeitraum mussten 10 Kinder wegen Verbrennungen behandelt werden. Das Durchschnittsalter lag zwischen 1, 6 und 8 Jahren. In 80 Prozent der Fälle handelte es sich um Verbrennungen an den Händen. In fünf Fällen musste eine Operation vorgenommen werden, davon vier akut und eine nachgelagerte rekonstruktive Prozedur. Die Autoren kommen aufgrund ihrer Untersuchung zu dem Schluss, dass Dampfinhalation erhebliche Verbrennungen bei Kindern verursachen kann. Kleinkinder waren am stärksten gefährdet, häufig erlitten sie Handverbrennungen, bei denen eine Hauttransplantation durchgeführt werden musste. Daher müsse die Öffentlichkeit stärker auf die Gefahren von Dampfinhalation aufmerksam gemacht werden.2
Die meisten Unfälle passieren aufgrund der kindlichen Neugier oder weil die Motorik noch nicht so weit entwickelt ist. Die Kleinen fassen aus Neugier ins heiße Wasser oder rutschen beim Halten der Schüssel ab. Dabei kann sich das heiße Wasser über Hände, aber auch Bauch und Oberschenkel ergießen.
Die Gefahren der Inhalation von heißem Wasserdampf kennt auch Dr. med. Wolfram Rohland. Er arbeitet seit über 30 Jahren als niedergelassener Kinderarzt: „Ich hatte in meiner Praxis einige Fälle, bei denen Eltern ihre Kinder wegen Verbrühungen vorstellen mussten, die sie sich bei einer Dampfinhalation zugezogen hatten. Zudem muss man sagen, dass eine Inhalation von heißem Wasserdampf eher kinderunfreundlich ist. Sich mit einem Handtuch über dem Kopf über eine Schüssel mit heißem Wasser beugen zu müssen, kann für Kinder beklemmend sein. Eine Inhalation mit einem Inhalationsgerät ist nicht nur wirkungsvoller, sondern auch angenehmer für Kinder. Es gibt gut passende, kinderfreundliche Masken, womit eine Inhalation einfach durchgeführt werden kann.“
Entgegen der landläufigen Meinung ist eine Inhalation von heißem Wasserdampf nicht wirkungsvoll. Denn bei der Verdampfung verdunsten die in Wasser gelösten Substanzen (z. B. Salz) nicht, sondern verbleiben im Topf. Die Verdampfung führt lediglich zu einer Befeuchtung mit Destillat. Die Befeuchtung erreicht dabei nur die oberen Atemwege, wie Nase und Hals, aber nicht Bronchien und Lunge. Doch in Bronchien und Lunge sitzt der Schleim, der den Husten verursacht und durch die Inhalation gelöst werden soll.
Kinderarzt Rohland klärt Eltern und seine Patienten immer wieder auf: „Die Inhalation von Dampf gilt als Hausmittel gegen Erkältung oder Husten. Ich empfehle allerdings immer eine Inhalation mit einem Inhalationsgerät, weil nur diese Inhalation effektiv ist. Nur bei der Inhalation mit einem Inhalationsgerät mit einem Düsen- oder Membranvernebler ist sichergestellt, dass die zu inhalierende Flüssigkeit in kleine Partikel zerstäubt wird. Ausschließlich klein zerstäubte Partikel können in Bronchien und Bronchiolen gelangen und eine Wirkung entfalten. Bei einer Inhalation von heißem Wasserdampf ist das nicht gegeben.“
Nicht selten wird bei Kindern in den ersten drei Lebensjahren durch Viren eine sogenannte obstruktive Bronchitis hervorgerufen. Diese geht mit Atemnot einher, die auch sehr stark bis bedrohlich werden kann. Beim Ausatmen tritt ein typisches, pfeifendes Geräusch auf, auch Giemen genannt. Die Kinder haben infolge der entzündlichen Schleimbildung in den Bronchien eine erschwerte Ausatmung – vergleichbar mit Asthmapatienten.
„Gerade wenn Kinder im Rahmen eines Atemwegsinfektes obstruktiv werden, das heißt sich die Atemwege verengen, ist ausschließlich eine Inhalation mit einem Inhalationsgerät und Vernebler sinnvoll und wirksam. Die Geräte gewährleisten eine Applikation der Medikamente direkt an den Bronchien,“ so die Einschätzung des Kinderarztes. Dabei könne bereits die Inhalation von hypertoner Kochsalzlösung, also Kochsalzlösungen mit 3 Prozent oder 6 Prozent Salzanteil, nicht nur helfen, den entzündlichen Schleim besser zu lösen, sondern auf die Schleimhaut abschwellend wirken, weiß Rohland aus Erfahrung.
Leiden Kinder an Obstruktion und Atemnot kann die Verordnung von atemwegserweiternden Medikamenten notwendig sein. Diese können in Tablettenform eingenommen oder mit einem Düsenvernebler inhaliert werden. Für Kinderarzt Rohland hat die Inhalation im Vergleich zur Einnahme deutliche Vorteile: „Eine Inhalation solcher Medikamente ist in den allermeisten Fällen einer oralen Gabe vorzuziehen, weil eine Inhalation von Medikamenten schonender für den Organismus des erkrankten Kindes ist. Werden Medikamente oral eingenommen, gelangen diese über den Magen-Darm-Trakt in die Blutbahn und wirken systemisch, also im gesamten Organismus und nicht nur an der Lunge. Bei der Inhalation gelangt das Medikament ausschließlich in die Lunge, also nur dorthin, wo das Medikament gebraucht wird.“
Fazit: Wenn Husten und Infekte der unteren Atemwege behandelt werden sollen, ist eine Dampfinhalation wirkungslos. Die Inhalation von heißem Wasserdampf ist dabei als unangenehm und kinderunfreundlich einzustufen. Daneben birgt sie ernsthafte Gefahren durch ein Verbrühungs- und Verbrennungsrisiko für Babys und Kinder. Die Inhalation mit einem Vernebler hingegen ist einfach durchzuführen.
Dr. med. Wolfram Rohland arbeitet seit über 30 Jahren als Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde. Seine Kinderarzt-Praxis in Erding ist unter anderem auf Asthma und Allergologie spezialisiert.
Hinweis: Der Inhalt des Beitrags stellt keine Therapieempfehlung dar. Die Bedürfnisse von Patienten sind individuell sehr verschieden. Vorgestellte Therapieansätze sollen nur als Beispiele dienen. PARI empfiehlt Patienten, sich stets mit ihrem behandelnden Facharzt und Physiotherapeuten abzusprechen.
Ein Beitrag der PARI-BLOG Redaktion.
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