Nasensprayabhängigkeit: Abschwellende Sprays sind keine Dauertherapie

Schnupfen und eine verstopfte oder eine rinnende Nase treten in der kalten Jahreszeit leider vermehrt auf. Viele betroffene Menschen greifen dann zu abschwellenden Nasensprays. In einer kurzen Akutphase können diese Nasensprays eine gute Hilfe sein, eine längerfristige Anwendung kann aber zu gesundheitlichen Problemen führen. Wir sprachen mit Priv.-Doz. Dr. Sven Becker, Leitender Oberarzt an der Klinik für Hals-, Nasen- Ohrenheilkunde am Universitätsklinikum Tübingen, über diese Problematik.

PARI-Blog: Warum verstopft die Nase eigentlich?

Priv.-Doz. Dr. Sven Becker: Eine verstopfte Nase beruht meist auf einer Entzündungsreaktion der Schleimhaut, die durch Schwellung dazu führt, dass die Nase verstopft. Ausgelöst wird das in der Erkältungszeit zumeist durch einen viralen Effekt. Als Ursache kommen aber auch Allergene in der entsprechenden Pollenflugphase oder deutlich seltener eine bakterielle Infektion oder auch eine Pilzinfektion in Frage.

Schlussendlich ist der Mechanismus immer ähnlich. Durch die Entzündung werden Mediatoren freigesetzt, die dazu führen, dass die Nasenschleimhaut besser durchblutet wird. Eine bessere Durchblutung führt zum Anschwellen der Schleimhäute. Die freigesetzten Entzündungs-Mediatoren führen dazu, dass die Blutgefäße für Flüssigkeit durchlässiger werden. Dadurch entsteht zusätzlich ein sogenanntes Ödem, also Flüssigkeit, die sich im Gewebe ansammelt. Die Nase bleibt dadurch länger verschlossen. Die Entzündung der Nasenschleimhaut führt meist auch zu verstärkter Sekretbildung. Zähes oder dickflüssiges Sekret kann ebenfalls zur Verstopfung der Nase beitragen.

PARI-Blog: Wann sollten sogenannte „Abschweller“ eingesetzt werden?

Priv.-Doz. Dr. Sven Becker: Abschwellende Nasensprays sollten immer nur über einen sehr kurzen Zeitraum zum Einsatz kommen. Wenn bei einem viralen Infekt die Nase komplett zu schwillt, machen abschwellende Nasensprays einen Sinn – für 5-7 Tage. Bei einer Allergie, die mehrere Wochen oder den ganzen Sommer – z.B. bei einer Gräserallergie – dauert, sind abschwellende Nasensprays aber nicht sinnvoll. Denn dies kann die Nasenschleimhaut schädigen.

PARI-Blog: Wann und wie lange darf man Nasensprays nutzen?

Priv.-Doz. Dr. Sven Becker: Aus der Sicht des HNO-Arztes sollte eine abschwellende Therapie nach 5-7 Tagen langsam zurückgefahren und möglichst beendet werden.

PARI-Blog: Welche Probleme können auftreten, wenn man es nicht tut?

Priv.-Doz. Dr. Sven Becker: Dazu muss man wissen, wie ein abschwellendes Nasenspray wirkt. Das abschwellende Spray verengt die Blutgefäße in der Nasenschleimhaut extrem. Als Folge werden die Schwellkörper deutlich geringer durchblutet und die Nase geht dadurch auf. Wenn Gewebe von der Blutversorgung nur schlecht versorgt wird, die Durchblutung also sinkt, kommen weniger Nährstoffe und weniger Sauerstoff dorthin.

Das macht bei einer kurzfristigen Anwendung von ein paar Tagen nichts aus, ist aber problematisch, wenn der Mechanismus längerfristig, oder sogar über Monate genutzt wird, um die Nase frei zu halten. Die Versorgung des Gewebes wird schlechter, die Schleimhaut wird nach und nach dünner. Unter Umständen kommt es dann zu immer wiederkehrendem Nasenbluten, die Nase wird extrem trocken und empfindlich. Auch die Bildung eines Loches in der Nasenscheidewand ist beschrieben.

PARI-Blog: Welche Stoffe im Nasenspray sind problematisch?

Priv.-Doz. Dr. Sven Becker: Problematisch sind alle Stoffe, die zu einer Durchblutungsreduktion führen, also der abschwellende Anteil in diesen Sprays. Wesentliche Unterschiede bezogen auf die Stoffe und die Wirkweise der abschwellenden Sprays gibt es nicht. Die meisten Nasensprays enthalten darüber hinaus pflegende Substanzen, diese machen aber keine Probleme.

Kortisonhaltige Sprays funktionieren dagegen über einen ganz anderen Mechanismus. Sie sind das Mittel der Wahl bei allergischen Beschwerden. Die Reduktion der nasalen Symptome wird hier durch die Unterdrückung der Entzündungsreaktion bewerkstelligt. Dadurch werden die entsprechenden Entzündungsmediatoren weniger, die Ursache für die eigentliche Schwellung der Nase wird unterbunden. Im Unterschied zu den abschwellenden Nasensprays, die wirklich schädlich sein können für die Nasenschleimhaut, sind Kortisonsprays längerfristig einnehmbar. Also Langzeiteinnahme für das Kortisonspray: ja, für den Abschweller: nein.

PARI-Blog: Was sollten Kinder und Schwangere im Umgang mit einem Nasenspray beachten?

Priv.-Doz. Dr. Sven Becker: Für Kinder gibt es die abschwellenden Nasensprays in deutlich niedrigeren Konzentrationen. Für die meisten Sprays gibt es eine Kinder-Variante oder sogar eine Kleinkinder-Variante. Diese sind an die Reaktionsfähigkeit der Schleimhaut eines Kindes angepasst.

Schwangere sollten bei der Einnahme von solchen Substanzen vorsichtig sein oder zumindest den Arzt vorher konsultieren. Es besteht die Gefahr, dass man durch die Einnahme eine Kontraktion der Gebärmutter herbeiführen kann. Die Wahrscheinlichkeit ist gering, aber in Einzelfällen möglich.

PARI-Blog: Wann spricht man von einem Gewöhnungseffekt?

Priv.-Doz. Dr. Sven Becker: Der Gewöhnungseffekt zeigt sich dadurch, dass zum Offenhalten der Nase täglich Spray benötigt wird. Durch das Spray ist die Nase offen, lässt die Wirkung des Sprays nach längerfristiger Einnahme nach, geht die Nase komplett zu und es muss erneut gesprüht werden. Wir sprechen dabei von einem Rebound-Mechanismus. Wird der Abschweller nur kurzzeitig eingenommen kommt es zu diesem Effekt nicht.

PARI-Blog: Ab wann besteht eine Suchtgefahr bzw. Abhängigkeit vom Nasenspray?

Priv.-Doz. Dr. Sven Becker: Die Suchtgefahr entsteht, weil der Patient eine offene Nase haben möchte. Es kommt dann zu einer Abhängigkeit vom Spray, um die Nase wieder zu öffnen. Kurz: Man möchte eine offene Nase, also sprüht man. Lässt die Wirkung nach, geht die Nase wieder zu man sprüht erneut. Das verstärkt sich immer weiter, umso mehr Spray ich nehme, umso schlimmer wird die Problematik, wenn das Spray nach mehreren Stunden wieder nachlässt.

PARI-Blog: Wie komme ich davon wieder weg?

Priv.-Doz. Dr. Sven Becker: Das ist gar nicht so einfach und es gibt hier verschiedene Ansätze. Man kann beispielsweise gemeinsam mit dem behandelnden HNO-Arzt versuchen, auf ein kortisonhaltiges Spray umzusteigen. Dadurch kann es gelingen den Entzündungsprozess zu unterdrücken, der aber häufig gar nicht mehr der Problematik zugrunde liegt. Der eigentliche Infekt liegt oft Wochen zurück und das Spray selbst macht jetzt die Beschwerden.

Eine Möglichkeit besteht zum Beispiel darin, mit dem Kortisonspray eine Seite zu behandeln und auf der anderen Seite das abschwellende Nasenspray weiter anzuwenden. Bei guter Wirksamkeit des Kortisonsprays kann dann das abschwellende Spray langsam ausgeschlichen werden. Dies schaffen viele der Patienten jedoch langfristig nicht, so dass dann chirurgische Verfahren ins Spiel kommen. Hierbei können die unteren Nasenmuscheln mit unterschiedlichen Methoden verkleinert werden.

PARI-Blog: In Zeiten von Corona – ist eine verstopfte Nase eine Gefahr, leichter eine COVID-19-Infektion zu bekommen oder stärker daran zu erkranken?

Priv.-Doz. Dr. Sven Becker: Die Frage ist gut, sie lässt sich nur derzeit nicht wissenschaftlich fundiert beantworten. Ich kenne keine Studien dazu und die wird es wahrscheinlich auch so schnell nicht geben.

Bei Allergikern und Patienten mit einer chronischen Rhinosinusitis sind Kortison-Sprays in der aktuellen Covid-19 Pandemie weiter von den internationalen Gesellschaften empfohlen, um die Entzündungsreaktion in der Nase zu kontrollieren, denn generell ist eine Nase, die sich in einem gesunden Zustand befindet, wahrscheinlich gegen jede Virusinfektion besser gewappnet.

 9 Tipps: So kommen Sie von der Nasenspray-Abhängigkeit los

  1. Machen Sie sich bewusst, dass Sie das herkömmliche Nasenspray zu lange und/oder zu häufig benutzen. Ein Nasenspray mit Sympathomimetika sollte nach circa sieben Tagen abgesetzt werden.
  2. Zeigen Sie Wille und Durchhaltevermögen.
  3. Reduzieren Sie die Dosis nach und nach: zum Beispiel Nasenspray verdünnen, nur in ein Nasenloch oder nur abends sprühen.
  4. Benutzen Sie ein Nasenspray ohne Gewöhnungseffekt.
  5. Benutzen Sie Nasensalben, die die Schleimhaut pflegen.
  6. Führen Sie Nasenduschen / Nasenspülungen durch.
  7. Inhalieren Sie mit einem Vernebler.
  8. Verwenden Sie ein Verneblersystem speziell für Nase und Nasenebenhöhlen.
  9. Suchen Sie bei anhaltenden Beschwerden einen Hals-Nasen-Ohrenarzt auf.

Hinweise: Bei den im Interview getroffenen Aussagen handelt es sich um die individuelle Sichtweise des Interviewten. Diese spiegeln nicht zwangsläufig die PARI Sichtweise oder den allgemeinen Stand der Wissenschaft wider.

Der Inhalt des Beitrags stellt außerdem keine Therapieempfehlung dar. Die Bedürfnisse von Patienten sind individuell sehr verschieden. Vorgestellte Therapieansätze sollen nur als Beispiele dienen. PARI empfiehlt Patienten, sich stets mit ihrem behandelnden Facharzt und Physiotherapeuten abzusprechen.


Ein Beitrag der PARI-BLOG Redaktion.


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