Sich liebenswert fühlen trotz Krankheit – ein Interview über Mukoviszidose und Beziehung

 

Markus Hänni hat Mukoviszidose, ist verheiratet und Vater zweier Kinder. Seine chronische Erkrankung beeinflusst natürlich sein Leben. Aber nicht nur seines, sondern insbesondere auch das seiner Frau, mit der er zusammenlebt. Wie stark ist dieser Einfluss und wie ist es, ein Kranker in einer gesunden Beziehung zu sein?

PARI-Blog: Inwiefern beeinflusst Ihre chronische Erkrankung das Leben als Paar?

Markus Hänni: Ich glaube, der wichtigste und der schönste Punkt ist, dass wir viel bewusster zusammen unterwegs sind, weil wir auch Zeiten erleben, in denen es mir nicht so gut geht. Daher sind wir umso glücklicher, wenn wir Dinge gemeinsam unternehmen und erleben können. Dieses bewusstere Genießen im Jetzt ist sicher der wichtigste Faktor. Die Kehrseite ist die eingeschränkte Freiheit, welche die viele, tägliche Therapie und notwendigen Medikamenteneinnahmen mit sich bringen. Da sind andere Ehepaare freier und spontaner als wir, was die Gestaltung des Alltags aber auch von Reisen und Ausflügen anbelangt. Aufgrund meiner Mukoviszidose muss ich morgens und abends jeweils ungefähr eine Stunde inhalieren, viele Medikamente einnehmen. Ich muss häufig Arztbesuche wahrnehmen und auch Krankenhausaufenthalte sind bei meiner Erkrankung leider normal. Das alles muss man in seiner kurzfristigen und langfristigen Planung berücksichtigen. Vor jeder Reise haben wir Angst, unsere Pläne könnten platzen, weil ich wegen einer Lungenentzündung in die Klinik muss. Aber wir versuchen, das Beste daraus zu machen und uns so wenig wie möglich einschränken zu lassen.

PARI-Blog: Gibt es häufig Streit oder schlechte Stimmung wegen der Mukoviszidose und der nötigen Inhalationstherapie?

Markus Hänni: Vor 9 Jahren, am Anfang unserer Beziehung, gab es Konflikte. Der Grund dafür war, dass meine Frau Erwartungen hatte, die ich nicht erfüllen konnte. Diese Erwartungen hatte sie, weil ich nicht offen und ehrlich über meine Erkrankung und Leistungsfähigkeit gesprochen habe. Meine Frau hat ein sehr hohes Energielevel. Ich hingegen durch die Mukoviszidose nicht. Anfangs habe ich das nicht so klar und deutlich gesagt, sondern habe erwartet, dass sie sich das vorstellen könne. Junge, gesunde Menschen können aber nicht verstehen, dass man plötzlich sehr müde ist und eine Pause braucht. Das erwartet man bei alten Menschen, aber nicht von einem Mann in den Dreißigern. Außerdem hat meine Frau am Anfang unserer Beziehung erwartet, dass ich mit der Inhalation bereits fertig bin, wenn sie morgens aufsteht. Auf die Dauer bedeutet dieser Anspruch aber, dass ich als Kranker regelmäßig mindesten eineinhalb bis zwei Stunden weniger Schlaf habe als sie, die gesund ist. Grundsätzlich brauche ich durch meine Erkrankung aber tendenziell mehr Schlaf und Ruhe. Mittlerweile erwartet sie das nicht mehr. Im Gegenteil. Sie unterstützt mich, indem sie alleine das Frühstück vorbereitet, damit ich auch ausschlafen und meine Therapie machen kann.

PARI-Blog: Sie haben eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit angesprochen. Wie wirkt sich diese aus?

Markus Hänni: In unserer Gesellschaft herrscht eine hohe Leistungsorientiertheit. Diese Grundeinstellung sitzt tief. Es fällt schwer, sich davon frei zu machen – auch mir und auch meiner Frau. Das bringt Konfliktpotenzial mit sich. Ich kann nicht so viel leisten wie meine Frau aufgrund meiner Erkrankung. Damit mussten wir beide lernen umzugehen. Ich habe mich häufig schlecht und angegriffen gefühlt, wenn ich nicht so viel leisten konnte, wie meine Frau. Ich musste für mich lernen, dass ich liebeswert bin, auch wenn ich nicht so viel leisten kann. Meine Frau musste lernen zu akzeptieren, dass ich es nicht persönlich meine oder ein Spaßverderber bin, wenn ich Ruhe brauchte und mich zurückziehen musste. Das hat sich mittlerweile eingependelt. Ich zwinge sie nicht, mit nach Hause zu kommen, wenn wir unterwegs sind, weil ich eine Pause brauche oder Therapie machen muss, oder auf bestimmte Aktivitäten zu verzichten, weil ich diese nicht machen kann. Ich möchte sie nicht ausbremsen. Im Gegenzug ist sie nicht beleidigt, wenn ich mich zurückziehe und sie zum Beispiel alleine auf einer Veranstaltung lasse, weil ich Ruhe brauche. Meine eingeschränkte Leistungsfähigkeit wirkt sich außerdem in der Praxis aus. Ich kann keiner geregelten Arbeit nachgehen, meine Frau trägt die größere Verantwortung innerhalb der Familie und übernimmt mehr Aufgaben. Mittlerweile habe ich damit gelernt umzugehen, dass ich nicht das leisten kann, was die Leistungsgesellschaft von einem Mann erwartet. Neben all dem Negativen bringt das aber auch einige Vorteile. Ich verbringe viel Zeit mit meinen Kindern und investiere hier mehr. Ich engagiere mich kulturell und versuche anderen chronisch Erkrankten durch meine Erfahrungen zu helfen zum Beispiel, indem ich Bücher über Mukoviszidose schreibe.

PARI-Blog: Gibt es weitere Herausforderungen, vor welche die Mukoviszidose eine Beziehung stellt?

Markus Hänni: Bei uns ist das der instabile Verlauf meiner Erkrankung. Ich habe häufig unvermittelt Gesundheitseinbrüche. Das war vor allem 2018 schlimm und sehr herausfordernd. Ich lag 16 Wochen im Krankenhaus. Es stand die Frage im Raum, ob ich eine Lungentransplantation brauche. Eine Transplantationsoperation kann natürlich auch mal schief gehen. Eine solche Perspektive macht Angst und bedrückt. Solche Situationen übersteht man nur mit Optimismus und mentaler Stärke, mit der Barbara und auch ich ausgestattet sind. Glücklicherweise habe ich mich wieder erholt und ich musste nicht transplaniert werden.

PARI-Blog: Hat die Krankheit auch irgendwelche positiven Auswirkungen auf eine Beziehung?

Markus Hänni: Ich glaube, meine Frau hat durch mich ein größeres Bewusstsein dafür, dass Gesundheit ein hohes Gut ist und, dass man dankbar dafür ist, was man hat. Wir genießen den Moment stärker. Sie hat mit mir einen Mann, der sich ihr hingibt. Ich möchte aus der tiefsten Tiefe meines Herzens heraus, dass sie glücklich ist. Bevor wir ein Paar wurden, habe ich zu ihr gesagt: „Mir ist es wichtiger, dass du glücklich bist, als dass sich mein Wunsch nach einer Beziehung mit dir erfüllt.“ Auch wenn der Gedanke daran, sie können einen anderen Mann wählen, natürlich schmerzhaft war. Ich bin immer sehr dankbar für unsere Beziehung. Das hat aber nicht unbedingt etwas mit der Erkrankung zu tun, sondern dass es einfach extrem großes Glück ist jemanden an der Seite zu haben, mit dem zusammen man stärker und besser ist. Ich zeige das Barbara, indem ich ihr Zeit, Liebe, meine Energie und Gehör schenke. Dafür kann ich ihr keinen Porsche kaufen (lacht). Die aufgezählten Punkte können natürlich auch gesunde Männer einbringen. Aber wenn man von morgens bis abends im Job steckt, dann gelingt das vielleicht nicht ganz so gut.

PARI-Blog: Lieber Herr Hänni, danke für das Gespräch.

 

Über Markus Hänni

Markus Hänni engagiert sich in der Aufklärungsarbeit für Mukoviszidose. Außerdem hat er Bücher zum Thema Mukoviszidose geschrieben, eines davon gemeinsam mit seiner Frau Barbara Hänni. Mehr Infos zu Markus Hänni und seinem Engagement für CF unter: www.cystischefibrose.net

Hinweis: Bei den im Interview getroffenen Aussagen handelt es sich um die individuelle Sichtweise des Interviewten. Diese spiegeln nicht zwangsläufig die PARI Sichtweise oder den allgemeinen Stand der Wissenschaft wider.


Ein Beitrag der PARI-BLOG Redaktion.


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